Ergänzende Maßnahmen

Erfahrungsgemäß werden im Internet und in Foren zahlreiche zusätzliche und begleitende Maßnahmen bei der Kinderwunschbehandlung im Allgemeinen und der IVF- und ICSI-Behandlung im Besonderen diskutiert. Die teilweise widersprüchlichen Empfehlungen führen nach unserer Erfahrung zu einer erheblichen Verunsicherung bei einem Teil der ungewollt kinderlosen Paare. Wir wollen daher nachfolgend einen Überblick über die häufig durchgeführten Zusatzuntersuchungen und Maßnahmen geben.

Eine Untersuchung auf eine vermehrte Gerinnbarkeit des Blutes (Screening auf angeborene und erworbene Thrombophilie) hat nach heutigem Kenntnisstand nur einen Stellenwert bei der Abklärung von Ursachen für mehrere Fehlgeburten, nicht aber bei der Untersuchung eines eventuellen Einnistungshindernisses. Es konnte bislang auch nicht belegt werden, dass die Verabreichung eines niedrig molekularen Heparins und/oder von Aspirin die Rate erfolgreicher Einnistungen eines Embryo erhöht. Die Verabreichung eines Corticosteroids (Hydrocortison, Dexamethason, Prednisolon usw.) kann beim Vorliegen bestimmter Autoimmunerkrankungen angezeigt sein, jedoch gibt es nach heutigem Stand keine Belege für die Vermutung, dass dadurch die Einnistung verbessert oder die Rate klinischer Schwangerschaften gesteigert werden könnte.

Die Typisierung von immungenetischen Merkmalen (HLA, KIR) ist zwar geeignet, bestimmte Genotypen zu erkennen, die mit reduzierter Fruchtbarkeit einhergehen, jedoch gibt es aktuell keine therapeutische Handhabe von gesicherter Wirksamkeit, die aus den Ergebnissen einer derartigen Typisierung abgeleitet werden könnte.

Die immunhistochemische Quantifizierung von intrauterinen Killer- oder Plasmazellen oder anderer immunkompetenter Zellen in der Gebärmutter ist Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Möglicherweise ist ein veränderter Gehalt intrauteriner Killerzellen als Implantationshindernis anzusehen, jedoch steht der definitive Beweis für diese Hypothese noch aus. Ebenso kann ein erhöhter Gehalt intrauteriner Plasmazellen als Hinweis auf eine chronische Entzündung verstanden werden, jedoch liegen keine gesicherten Erkenntnisse zur Interpretation derartiger Befunde vor und es ist auch unklar, ob daraus die Notwendigkeit einer antibiotischen Behandlung abgeleitet werden kann.

Die molekulargenetische Untersuchung des sog. Mikrobioms in der Vagina und in der Gebärmutter ist ebenfalls Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Die Kosten der diesbezüglichen Testungen (EMMA, ALICE) werden in der Regel von den Kostenträgern nicht übernommen. Es gibt keine Begründung für die generelle Anwendung von Antibiotika vor einem Embryotransfer.

Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ist unklar, welche Schlussfolgerungen aus immunologischen Testungen (Autoantikörperprofile, Lymphozytentypisierung) bei Frauen mit Kinderwunsch abgeleitet werden können. Es gibt Hinweise auf einen möglichen günstigen Wirkeffekt von Lipidinfusionen (Lipovenös, Intralipid) und von Omega 3-Fettsäuren (Omegaven) auf die Einnistung eines Embryos, vielleicht auch auf die Verhinderung einer Fehlgeburt, jedoch kann eine abschließende Bewertung derzeit noch nicht abgegeben werden. Die früher gebräuchlichen Immuntherapien mit Lymphozyten des Ehemannes/Partners oder mit Immunglobulinen (Privigen) mit dem Ziel der Verbesserung der Implantation werden heute nur noch selten angewendet. Es gibt für die Präparate, die Immunglobuline enthalten, keine Zulassung durch die Arzneimittelbehörde für diese Indikation (Verbesserung der Behandlungsergebnisse bei Kinderwunsch). Gleiches gilt für Präparate, die den Wirkstoff G-CSF enthalten (Granocyte), auch dafür gibt es keine Zulassung durch die Arzneimittelbehörde für die Anwendung bei der Kinderwunschbehandlung und es wird in der Fachinformation des Herstellers von der Anwendung in der Schwangerschaft abgeraten. Von manchen Kinderwunsch-Zentren wird die Verabreichung von Granocyte in den Uterus vor dem Transfer empfohlen mit dem Ziel, die Einnistung des Embryos zu verbessern, jedoch ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine abschließende Bewertung des Therapieeffektes nicht möglich.

Bei der Durchführung von Testungen zur Bestimmung des sog. Implantationsfensters (ERA, ERP) ist zu beachten, dass die Verschiebung des sog. Implantationsfensters nur in einem Auftauzyklus nach extrakorporaler Befruchtung möglich ist. Es gibt Hinweise, dass durch die Vor- oder Rückverlegung des sog. Implantationsfensters in den Fällen, in denen dieses verschoben ist, die Einnistung eines Embryos erleichtert werden kann, es ist jedoch derzeit zu früh für eine abschließende Bewertung dieser Maßnahme.

Das Kratzen oder Anritzen der Gebärmutterschleimhaut (endometrial scratching, EMS) im Zyklus vor einer Behandlung hat wahrscheinlich keinen oder nur einen untergeordneten Effekt auf die Ergebnisse einer IVF- oder ICSI-Behandlung im darauffolgenden Zyklus.

Kommt es nach einer ICSI-Behandlung zu keiner oder einer unerwartet niedrigen Befruchtungsrate, könnte dies an der Unfähigkeit des Spermiums liegen, die Eizelle zu aktivieren. Die Aktivierung der Eizellen ist eine wichtige Voraussetzung für die Ausprägung von Vorkernen, welche Zeichen für eine erfolgreiche Befruchtung sind.

Normalerweise löst das Eindringen des Spermiums in die Eizelle und dessen Lyse eine Erhöhung der Calcium-Konzentration und somit eine Kaskade von Vorgängen in der Eizelle aus. Bleibt diese Aktivierung, und somit die Befruchtung aus, kann die Aktivierung der Eizelle durch die Zugabe von Calcium-Ionophor in der Kultur nachgeahmt werden. Bei der Calcium-Ionophor-Anwendung werden zuerst die Eizelle und das Sperma durch Mikroinjektion (ICSI) befruchtet, dann werden die Eizellen für einige Minuten im Calcium-Ionophor gehalten. Bei Patienten ohne Befruchtung oder schlechter Befruchtungsrate (bis ca. 30 % befruchtet) nach einer ICSI-Behandlung kann Calcium-Ionophor so helfen die Befruchtungsrate zu erhöhen (Montag et al.2012). Die Anwendung von Calcium-Ionophor ist jedoch noch immer experimentell und die Unbedenklichkeit dessen Einsatzes noch nicht eindeutig bewiesen.

Zur Verbesserung der Einnistung eines Embryos im Rahmen der künstlichen Befruchtung gibt es zahlreiche Maßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist die Anwendung von EmbryoGlue®, dabei handelt es sich um ein speziell für den Embryotransfer entwickeltes Kulturmedium.
Die Konsistenz des EmbryoGlue® ist ähnlich der von der Gebärmutterschleimhaut abgegebenen Flüssigkeit und enthält den wichtigen Stoff Hyaluronan. Man nimmt an, dass Hyaluronan, welches im weiblichen Genitaltrakt vorkommt, die Einnistung in der frühen Schwangerschaft durch die Herstellung einer Verbindung zwischen Gebärmutter und Embryo fördert. Zusammenfassend soll durch EmbryoGlue® eine Art „Klebewirkung“ erzielt werden.
Allerdings soll EmbryoGlue® keine falsche Hoffnung erwecken, denn die Implantation des Embryos ist ein komplexer Vorgang, der von der Qualität des Embryos sowie einer Reihe verschiedener Faktoren abhängt. Dazu zählen z. B. Signalmoleküle die von der Gebärmutter produziert werden, aber auch Botenstoffe, welche der Embryo freisetzt, um die Gebärmutter auf die Implantation vorzubereiten.

Bei allen zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Einnistungswahrscheinlichkeit stellt sich meist heraus, dass nicht jedes Paar davon profitiert, sondern meist eine Gruppe von Patienten mit besonderen Voraussetzungen. In kleineren Studien zeigt sich zumindest, dass die Routineanwendung bei allen Patienten die Erfolgsraten nicht zu verbessern scheint. Es wird diskutiert, ob die Methode erst nach 1-2 erfolglosen Zyklen zur Anwendung kommt. Gerne beraten wir Sie zu Ihrer persönlichen Situation.

Im Jahr 2014 erschien eine Zusammenfassung der Ergebnisse mehrerer Studien. Hier zeigte sich, dass die Chancen durchaus höher sein können, wenn man diese Methode anwendet.

Es wurden die Ergebnisse von fast 4.000 Patientinnen in 17 Studien analysiert. Die Zahl der Lebendgeburten und klinischen Schwangerschaften war in der Zusammenschau der Daten besser als ohne die Verwendung von EmbryoGlue®. Diese Beweislage wird von den Autoren der Übersichtsstudie als „moderat“ bezeichnet.

Es gibt weitere Studien, in denen von einer positiven Wirkung des EmbryoGlue® berichtet wird [Heyman D et al. 2020].
Im Jahr 2019 wurde eine Studie vorgestellt, die die Wirksamkeit des EmbryoGlues® untersuchte. Hierbei zeigte sich, dass das Kulturmedium im Vergleich zu herkömmlichen Medien keine verbesserte Geburtenrate erzeugen kann [Ten J et al., ESHRE 2019].
Diese Auflistung und Bewertung von Zusatzmaßnahmen bei der IVF- und ICSI-Behandlung ist keineswegs vollständig, aber soll zumindest einen Überblick über die derzeit gebräuchlichen Zusatzmaßnahmen und deren wissenschaftlichen Stellenwert geben.
Im individuellen Fall werden wir Sie bezüglich möglicher ergänzender Untersuchungen und der daraus resultierenden Therapie beraten und mit Ihnen entscheiden, ob eine weiterführende Diagnostik sinnvoll erscheint. Die Kosten werden in der Regel von den Kostenträgern nicht übernommen.

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